Der Kleinste der Saurer-Schwing­achsfamilie war der Saurer 4MH (4 = Vierrad, M = Militär/Allrad, H = Heckmotor). Dieses Fahrzeug wurde in der Artillerie als Zugfahrzeug für Haubitzen eingesetzt. Zum Transport der dazugehörigen Truppe oder des Materials wurde er in zwei verschiedenen Karosserieformen gebaut.

Text: Marcel Zaugg

Die Testfahrten begannen am 2. Februar 1944 mit dem Prototypen 4ML (siehe Federblatt Nr. 69/Juli 2012). Das Fahrzeug entsprach in groben Zügen bereits den ersten Serienfahrzeugen des 4MH. Der Auftraggeber, die K.T.A. (Kriegs-technische Abteilung) und die Konstrukteure liessen die Erfahrungen der bereits realisierten Fahrzeuge 2M, 4M, 6M, 8M und 6ML in diese weitere Entwicklung einfliessen. Auf die aufwändige Vierradlenkung wurde bewusst verzichtet. Ebenso wurden die Schwachstellen, die bei den ersten 6M und 8M festgestellt wurden, eliminiert. Dazu gehörten namentlich gerissene Schutzmanschetten der Verbindungsstangen zwischen den Reaktionshebeln und der Halbachse und die schwach dimensionierten Auffangbügel. Ein weiteres Problem verursachten die Verschlussschrauben der Entlüftungen an den Halbachsen: Bei extremster Lage im Gelände standen die Entlüfter an den Federwellen an. Die Seilwinden mussten nach vielen Schäden umgebaut werden. Einerseits wurde eine bessere Seilführung montiert und andererseits wurde die Mannschaft für die Bedienung besser geschult, denn einige der Schäden konnten eindeutig auf Bedienungsfehler zurückgeführt werden.

Das Chassis des Saurer 4ML mit Heckmotor.
(Aufnahme Saurer Arbon / Sammlung M.Zaugg)

Die ursprüngliche Karosserieform wurde als sogenannter Kübelsitzwagen ausgebildet. Bei dieser Karosserieform wurde auf Türen verzichtet, um Gewicht zu sparen oder möglichst schnell ins Gefecht oder in Deckung zu gelangen. Damit die Insassen während der Fahrt nicht aus dem Fahrzeug fielen, wurden „Schalensitze“ eingebaut, die einen besseren Halt geben sollten. Diese Sitze wurden wegen ihrer wannenartigen Form als Kübel und die Fahrzeuge, in denen sie eingebaut waren, als Kübelsitzwagen oder kurz als Kübelwagen bezeichnet.
Der 4ML musste sich bei der K.T.A. einer eingehenden Erprobung unterziehen. Die Testfahrten verliefen positiv. Bis zur Serienreife der ersten 4MH-Serie wurden dennoch einige Komponenten abgeändert oder modifiziert. Die Karosserieform (Kübel­sitz) wurde angepasst. Auf die von aussen zugänglichen und mit ein­em Deckel verschliessbaren Stau­fächer wurde verzichtet. Stattdessen musste man nun das Sitzkissen entfernen um Material zu ver­stauen. Zusätzliches Material konnte in einer Wanne in der Fahrzeugmitte (im sogenannten Sarg) verstaut werden.
Der Motor des Prototypen war nicht wie in allen anderen Fahrzeugen vorne, sondern im Heck eingebaut. Speziell an diesem Motor war eine Schmierölversorgung mit zwei Ölpumpen: Die erste Ölpumpe förderte das Motorenöl aus der Ölwanne über ein Rückschlagventil zum hinten am Motor angebauten Ölreservoir. Die zweite Ölpumpe saugte das Öl aus dem Ölreservoir an und versorgte die einzelnen Schmierstellen im Motor. Der Vorteil dieser Schmieranlage zeigte sich bei extremen Geländefahrten. Der Öldruck war in jeder Lage des Motors sichergestellt, sogar wenn das Fahrzeug auf der Seite lag. Dieses System wurde „Trocken­sumpf­schmie­rung“ ge­­­tauft. Damit die ganze Länge des kompakt gebauten Fahrzeuges ausgenutzt werden konnte, wurde das Ölreservoir in der Serienausführung seitlich an den Motor gebaut. Anstelle des Ölreservoirs wurde der Ölbad-Luftfilter platziert.
Mit all diesen Änderungen wurde am 21. August 1946 der erste 4MH an die K.T.A. abgeliefert, mit der Bezeichnung M. Gelastw. 1,5 t, 4x4, Saurer M4, Mod 46, mit total acht Sitzen, je drei seitlich plus Fahrer und „Hilfsfahrer“, und 1600 kg Nutzlast bei einem zulässigen Gesamtgewicht von 6290 kg.

Saurer 4MH, Modell 1946.
(Aufnahme K.T.A. Bern / Sammlung S.Streiff)

 

Saurer 4MH im WK-Einsatz.
(Aufnahme Sammlung M.Zaugg)

Ausgerüstet war der 4MH mit dem 4-Zylinder CR1DM-Motor. Dieser war zur Seite geneigt verbaut. Die Einbauneigung von 45 Grad verhalf dazu, dass die Bauhöhe geringer gehalten werden konnte. Mit einer Bohrung von 110 mm und einem Hub von 140 mm leistete der 2-Ventiler-Diesel 62 PS. Der Treibstofftank wurde hinter dem Beifahrer in der Mitte eingebaut und hatte ein Fassungsvermögen von 70 Litern. Der gross dimensionierte Wasserkühler bildete den hinteren Abschluss des Fahrzeuges. Die Kühlerverschalung, wie sie an jedem 4MH zu sehen war, wurde beim Modell 1946 nicht ab Werk angebaut. Am Heck wurden stattdessen einezusätzliche Halterung montiert und eine Stahlseilrolle eingehängt. Eine Verschalung wurde später nachgerüstet und ab dem Modell 1952 ab Werk serienmässig montiert. Diese Verschalung hatte den Zweck, dass der Motor schneller auf die Betriebstemperatur kam. Die Luftklappe konnte je nach Temperatur verstellt werden. Bei zu heissem Motor konnte der Deckel der Luftklappe entfernt werden.

Saurer 4MH im Gelände. Gut zu sehen ist die Drahtseilrolle am Heck des Fahrzeugs.
(Aufnahme K.T.A. Bern / Sammlung M.Zaugg)

Ein Schwachpunkt im Antriebsstrang beider Serien war die Kupplung; diese war zu schwach konzipiert. Im Gelände oder beim Ziehen der Haubitze durfte die Kupplung deshalb nicht überstrapaziert werden. Ziemlich schnell wurden die Reibflächen durch Überhitzung beschädigt. In vielen Fällen bildeten sich Risse im Schwungrad und auf der Druckplatte. Im schlimmsten Fall waren die Risse so gross, dass die Druckplatte regelrecht gespalten wurde.
An den Motor wurde ein 5-Gang-Getriebe angeflanscht, bei dem nur die Gänge 3 bis 5 synchronisiert waren. Das Einlegen der Gänge wurde über die ganze Länge des Fahrzeuges mit Schaltstangen und Umlenklagern gelöst. Erstaunlich war, dass die Schaltkulisse vorne im Schaltblock sehr genau reagierte. Das in der Mitte des Fahrzeugs eingebaute Verteilergetriebe wies, wie bei den beiden grösseren Brüdern 6M und 8M, eine Untersetzung für das Gelände auf. Die Seilwinde war ebenfalls über das Verteilergetriebe geschaltet.
Die Differenziale wurden baugleich wie bei 6M und 8M verwendet: das vordere Differenzial mit Freilauf und das hintere selbstsperrend. Die Gehäusehälften waren im Gegensatz zur ersten Serie ab 1952 nur mit vier Schrauben statt deren acht verschraubt. Die Abdichtung zwischen den Gehäusehälften und den Schwingachshälften wurde mit einem O-Ring sichergestellt. Wie sich im Laufe der Betriebsjahre herausstellte, war dies ein grosser Schwachpunkt. Die gradverzahnten Zahnräder verursachten einen grossen Metallabrieb. Dieser beschädigte die beiden O-Ringe, was zwangsläufig zu Leckagen führte. Das Ersetzen der O-Ringe war eine zeitintensive Reparatur. Beide Halbachsen mussten demontiert werden, dann konnte das Differenzial seitlich zum Zentralrohrrahmen ausgebaut werden (Erst der Einbau eines Magneten in den Ablasszapfen entschärft das Problem. Mit Hilfe dieses Magneten wird ein Grossteil des Abriebes aus dem Öl entfernt, und die Lebensdauer der O-Ringe verlängert sich dadurch). Die leichten Radantriebe vom 4ML wurden nicht übernommen. Stattdessen stammten auch diese aus der Serienproduktion der beiden grösseren Fahrzeugtypen. Das Antriebsritzel hatte ebenfalls zehn Zähne.

CR1DM-Motor, 45 Grad zur Seite geneigt, so dass die Bauhöhe reduziert werden konnte.
(Grafik Saurer Arbon)

 

Geländefahrt mit Geschütz. Dank grossen Böschungswinkeln, grosser Bodenfreiheit und dennoch tiefem Schwerpunkt war der 4MH sehr geländetauglich.
(Aufnahme K.T.A. Bern / Sammlung S.Streiff)

 

Chassisplan 4MH.
(Zeichnung Saurer Arbon / Sammlung M.Zaugg)

 

Chassis eines Saurer 4MH Modell 1952.
(Aufnahme Saurer Arbon / Sammlung S.Streiff)

Die Einzelradaufhängung vom 4M wurde modifiziert und verstärkt übernommen. Sämtliche Federwellen wurden auf dem Zentralrohrrahmen auf einen Reaktionshebel zusammengeführt. Dieses System führte dazu, dass die einzelnen Räder „zwangsgefedert“ wurden. Bei Überfahren eines Hindernisses mit einem Rad passten sich alle anderen Räder via Reaktionshebel dem Gelände an. Jede einzelne Federwelle verfügte zusätzlich über eine Spiralfeder, die bei der Zwangsfederung den Weg des Rades noch ein wenig ausgleichen und Schläge abdämpfen konnte. Das Fahrzeug wurde mit Leichtmetall-Trilexfelgen und der Reifendimension 9.00x20“ ausgerüstet. Die Karosserie war nicht sehr reparaturfreundlich konstruiert. Beispielsweise konnten die elektrischen Komponenten nur vom Fahrerraum von unten her erreicht werden. Für Reparaturen an Kupplung, Getriebe und Verteilergetriebe musste man sich im engen Staufach in der Fahrzeugmitte abmühen. Für grössere Reparaturen musste die ganze Karosserie abgehoben werden. Zwei erfahrene Mechaniker brauchten etwa drei Stunden dazu!
Vom 4MH Modell 1946 wurden in den Jahren 1946/47 50 Einheiten an die K.T.A. abgeliefert, der Letzte am 1. September 1947.

Saurer 4MH Modell 1952 im AMP Burgdorf.
(Aufnahme A.Amstutz / Sammlung M.Zaugg)

Ab 1952 wurde der 4MH mit geänderter Karosserieform gebaut. Statt der seitlichen Kübelsitze erhielten die Wagen eine Ladefläche in der Fahrzeugmitte. Auf dieser Ladefläche fanden Material und Mannschaft Platz. Die Bänke für die Mann­schaft konnten aufgeklappt werden. Das Verdeck wurde zum Schutz der Mannschaft verbessert. Die militärische Bezeichnung lautete nun M. Gelastw., 2,25 t, 4x4, Saurer M4, Mod. 52, bot Platz für Fahrer und „Hilfsfahrer“ sowie acht Personen auf zwei Klappbänken, welche vorne und hinten auf der Brücke befestigt waren. Die Wagen hatten nun 2250 kg Nutzlast bei einem zulässigen Gesamtgewicht von 6500 kg. Der erste Wagen der neuen Serie wurde am 25. September 1952 der Truppe abgegeben. Da der Motor hinten montiert war, verfügten alle 4MH über keine Heizung - im Winter sicher eine kalte Sache für die Mannschaft. Der Treibstofftank wurde nun seitlich links eingebaut und hatte ein Fassungsvermögen von 100 Litern. Vorne am Fahrzeug wurde ein Deckel eingebaut, der das Erreichen der elektrischen Komponenten sehr erleichterte. Die Ersatz-Treibstoffkanister, die bei der älteren Karosserieversion hinter Fahrer und Beifahrer deponiert waren, wurden nun beidseitig in den Fussraum verlegt. Dies gab mehr Platz. Als Triebwerk wurde der 4-Zylinder CR2DM eingebaut. Äusserlich seinem Vorgänger CR1DM sehr ähnlich hatte er aber mit einer Bohrung von 115 mm und einem Hub von 140 mm nun eine Leistung von 75 PS. Die Kraftverteilung erfolgte gleich wie beim Modell 1946. Die Antriebseinheit wurde mit kleinen Änderungen vom Vorgängermodell übernommen. Die Lichtanlage wurde dem Strassenverkehrsgesetz entsprechend modifiziert, die kleinen Scintilla Schluss- und Bremsleuchten durch grössere ersetzt und beidseitig montiert. Erst später wurden die Winker durch Blinker ersetzt. Der modifizierte 4MH wurde in den Jahren 1952 bis 1955 in drei Serien mit insgesamt 396 Exemplaren produziert. Die Gefährte leisteten Dienst als Zugfahrzeuge von diversen Geschützen, wo die guten Fahreigenschaften dank Heckmotor bestens zur Geltung kamen. Haupteinsatzgebiet waren somit die Feld– und Gebirgsartillerie wie auch die Infanterie. Ab 1985 wurden die 4MH ausgemustert.

Ablieferung eines Loses Saurer 4MH, Mod. 52.
(Aufnahme K.T.A. Bern / Sammlung S.Streiff)

 

Dieses Bild wurde im April 1988 im AMP Burgdorf aufgenommen: Fahrer der Infanterie-Motorfahrschule Wangen an der Aare hatten den Auftrag, die acht Saurer 4MH ins Emmental zu überführen. Es waren dies die Fahrzeuge, M+75211, M+75007, M+75014, M+75153, M+75036, M+40078, M+40077 und M+75037.
(Aufnahme A.Amstutz / Sammlung M.Zaugg)

Dank seiner kompakten Grösse wurde der 4MH ein begeisterndes Sam­mlerfahrzeug, welches technisch jedoch nicht anspruchslos ist. Deshalb abschliessend noch einige Tipps und Erfahrungen für den Unterhalt dieser Fahrzeuge: Nur Einbereichsöl für den Motor verwenden (SAE 30 Oldtimeröl). Da der Motor keinen Ölfilter im Kreislauf eingebaut hat und nur mit einem Einbereichsöl betrieben wird, setzt sich Schlamm an den Motorblockwänden ab. Beim Einfüllen eines Mehrbereichsöls kann es vorkommen, dass der Schlamm von den Wänden durch die Additive herunter gewaschen wird. Dieser Schlamm kann die Bohrungen im Schmiersystem verstopfen und einen Motorschaden auslösen. Die Drehzahl am Motor darf nicht erhöht werden, um eine grössere Geschwindigkeit zu erhalten. Der Lüfterflügel ist aus Aluminiumguss. Bei einer Drehzahlerhöhung steigt auch die Umfangsgeschwindigkeit am äusseren Flügelende. Die Folge daraus ist, dass die einzelnen Flügel abbrechen und den Wasserkühler beschädigen. Sehr wichtig ist das Spiel am Kupplungspedal: Dieses muss 2 cm betragen. Ist dem nicht so, muss das Kupplungsspiel am Gestänge seitlich links vom Getriebe eingestellt werden. Ohne Spiel verbrennt die Kupplung sehr schnell und muss ersetzt werden. Es kann vorkommen, dass das Achsöl an der Hinterachse über den Simmerring aussen in die Radantriebe läuft. Der Radantrieb wird zwangsläufig mit Öl überfüllt. Der Druck steigt und das Öl kann im schlimmsten Fall über die beiden Simmerringe im Rad in die Bremsen gelangen. Um ie Korrosion in den Bremszylindern möglichst zu verhindern, empfiehlt es sich, die Bremsflüssigkeit alle zwei Jahre zu ersetzen. Mechanischer Abrieb an den Lagerstellen am ganzen Fahrzeug kann verhindert werden, wenn die Schmiernippel von Zeit zu Zeit nach Schmierplan abgeschmiert werden. Dies ist eine zeitintensive Arbeit, da nicht alle Schmiernippel gut zugänglich sind. Mit diesen Tipps können Unterhalts- und Reparaturkosten tief gehalten werden. Leider sind nicht mehr alle Ersatzteile verfügbar, insbesondere die Verschleissteile. Entsprechend sind Ersatzteile gesucht und wenn überhaupt verfügbar, werden sie häufig überzahlt.

Aufsetzen Karosserie auf M+40014.
(Aufnahme / Sammlung M.Zaugg)

 

 

Nicht nur Sammler gönnten einem 4MH ein zweites Leben: Das Liebeswerk Kirche in Not setzte einen 4MH, Mod. 46 im Brasilianischen Amazonasgebiet ein, vgl. Federblatt Nr. 7/12.96 [oben]. Einige 4MH wurden zu Feuerwehrfahrzeugen umgebaut und umgenutzt, wie der abgebildete 4MH, Mod. 52, ex Feuerwehr Plaffeyen.
(Aufnahmen: Sammlung Chr. Hürlimann [oben], K.Fischer [unten])

 

Druckbare Version: Sonderdruck aus Federblatt 76:

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